Keine Sektiererei

Antwort der HOSI Linz auf Haimbuchners Sommerinterview

„Wer sich in der Früh eine Stunde lang überlegen muss, als welches Geschlecht er aufsteht, der kann auch nichts leisten.“ – mit diesem Zitat aus dem Jahr 2024 hat FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner bereits gezeigt, wie sehr er auf Kosten queerer Menschen polemisiert.
Im aktuellen Sommerinterview mit der Bezirksrundschau knüpft der Landeshauptmann-Stellvertreter nahtlos daran an: Er wiederholt alte Stereotype, spricht queeren Menschen ihren Wert ab und präsentiert Ressentiments, wo Lösungen gefragt wären.

Haimbuchner betont im Interview, gleichgeschlechtliche Partnerschaften hätten „selbstverständlich ihren Platz“ – nur um sofort einzuschränken, dass der Staat ausschließlich traditionelle Familien unterstützt. Das klingt tolerant, ist es aber nicht.
Denn wer mit einem „Ja, aber“ spricht, macht klar: Alle dürfen zwar existieren, aber nicht alle sind gleich viel wert. Gleichberechtigung auf dem Papier nützt nichts, wenn in der Praxis gezielt benachteiligt wird.

Die Realität ist: Familien gibt es in vielen Formen – mit Mutter und Vater, mit zwei Müttern, zwei Vätern, mit Alleinerziehenden, Patchwork, Wahlverwandtschaften. Alle diese Familien leisten ihren Beitrag, ziehen Kinder groß, zahlen Steuern, halten unsere Gesellschaft am Laufen.
Wenn die Politik nur eine dieser Formen fördert, dann grenzt sie die anderen aus – und nimmt Kindern, die in diesen Familien aufwachsen, bewusst Unterstützung weg. Das ist keine Familienpolitik, das ist Ausgrenzungspolitik.

Spaltung statt Verantwortung

Das von Haimbuchner erneut gezeichnete Bild vom angeblich täglich wechselnden Geschlecht ist schlicht polemischer Blödsinn. Dass Politiker:innen dieses Zerrbild immer wieder bemühen, ist nicht nur respektlos, sondern dient einem klaren Zweck: Verunsicherung. Besonders deutlich wird das, wo Haimbuchner behauptet: „Es sprechen mich auch homosexuelle Paare an, die von dieser LGBTQ-Bewegung nicht vereinnahmt werden möchten. Sie leiden darunter, da sie für ihre Rechte gekämpft haben und jetzt in einen Topf geworfen werden …“

Ja, es gibt durchaus schwule Männer oder lesbische Frauen, die sich nicht mit der Community identifizieren wollen. Denn auch die queere Community ist divers – genauso vielfältig wie die Gesellschaft selbst. Aber genau daraus künstliche Fronten zu konstruieren, nach dem Muster „gute“ Homosexuelle hier, „zu laute“ queere Aktivist:innen dort, ist ein leicht durchschaubares politisches Manöver.

Doch Gleichberechtigung ist nicht teilbar. Rechte für Lesben, Schwule und Bisexuelle sind immer auch mit den Kämpfen von trans*, inter* und queeren Menschen verbunden – erkämpft Seite an Seite. Wenn Haimbuchner uns zu Gegenspieler:innen erklärt, dann nicht, weil diese Fronten tatsächlich existieren, sondern weil er sie politisch herbeireden will. So schafft er ein Feindbild, wo in Wahrheit Solidarität und Zusammenhalt bestehen.

„Sektiererei“ – ein gefährlicher Vorwurf

Wenn sich Menschen organisieren, um für Gleichberechtigung von LGBTIQA*-Personen einzutreten, dann ist das keine „Sekte“, sondern gelebte Demokratie. Die FPÖ versucht, eine engagierte Zivilgesellschaft zu diskreditieren, indem sie ihr ein Etikett aufdrückt, das sie ins Abseits stellen soll.
Dreht man den Spieß um, könnte man die FPÖ selbst als Kult bezeichnen: eine Partei, die mit falschen Informationen und bewusst konstruierten Märchen ihre Narrative gebetsmühlenartig wiederholt und die Bevölkerung in Angst versetzt, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Familien und Kinder werden nicht durch Regenbogenfahnen verunsichert – dafür sorgt schon die FPÖ, indem sie immer neue Schreckgespenster erfindet.
So zeigt die Polemik aus dem rechten Lager Wirkung: Sprache schafft Realität. Wenn Verantwortungsträger:innen queeres Leben beständig als „Sektiererei“ oder „Provokation“ niederreden, überträgt sich diese Abwertung auch auf Teile der Bevölkerung. Das Ergebnis erleben wir tagtäglich: in abschätzigen Kommentaren, in offener Feindseligkeit – und nicht selten auch in verbalen oder gar physischen Angriffen, sobald jemand sichtbar anders lebt, als es dem engen FPÖ-Standard entspricht.

Der gefährliche Ruf nach „Entpolitisierung“

Haimbuchner meint, „wir haben ganz andere Probleme, als uns ständig über Randgruppen zu unterhalten“. Mit solchen Sätzen macht er klar, wen er überhaupt nicht als Teil der Gesellschaft betrachtet: uns.
Die Erzählung, queere Menschen nähmen „zu viel Raum“ ein, ist international erprobt. In den USA sehen wir aktuell, wie unter dem Schlagwort „Entpolitisierung“ queere Sichtbarkeit systematisch zurückgebaut wird – von Regenbogenzebrastreifen bis zu Denkmälern.
Das Muster ist dasselbe: Wer Sichtbarkeit abschaffen will, will Menschen unsichtbar machen.

Der Streit um das Aufsteirern-Fest in der Steiermark macht sichtbar, wie subtil Ausgrenzung funktioniert: Allein die bloße Teilnahme einer queeren Hütte wurde schon als „gesellschaftspolitische Provokation“ gebrandmarkt und eine Teilnahme kurzfristig untersagt. Erst als in einem Kompromiss betont wurde, man verzichte auf „Provokation und Aktionismus“, war eine Teilnahme wieder möglich – allerdings nur „im klar geregelten Rahmen“. Die Botschaft dahinter: Ihr dürft dabei sein, aber nur, wenn ihr unsichtbar bleibt. Volkskultur wird als „rein“ und „unvermischt“ inszeniert, während queere Existenz als Störung gilt.

Noch schwerer wiegt der Tabubruch im Hintergrund: Dass sich ein politischer Fördergeber inhaltlich in ein Programm einmischt und die Veranstalter:innen so massiv unter Druck setzt, dass kurzfristige Änderungen überhaupt erwogen werden mussten. Das ist kein Schutz vor „Politisierung“, sondern politischer Machtmissbrauch. Heute trifft es queere Menschen – morgen womöglich jede andere Gruppe, die nicht in das enge Kulturverständnis der FPÖ passt.

Unser Appell

Unser frommer Wunsch: Wenn die FPÖ schon findet, dass zu viel über „Randgruppen“ geredet wird, dann soll sie aufhören, uns ständig für ihre politischen Manöver zu instrumentalisieren. Damit wäre allen geholfen – und wir hätten weniger Arbeit damit, ihre Märchen und Vorurteile richtigzustellen.

Denn das gesellschaftliche Zusammenleben wird nicht durch Regenbogenfahnen oder queere Sichtbarkeit bedroht, sondern durch die ständigen Angriffe auf vulnerable Gruppen und das gezielte Aufstacheln gegen Teile der Bevölkerung. Statt uns ständig zum Feindbild zu erklären, wäre es höchste Zeit, die Energie in echten Zusammenhalt zu investieren – denn davon profitieren am Ende alle.

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